Das Gehirn eines erwachsenen Menschen wiegt rund 1,3 kg bei Frauen bzw. 1,4 kg bei Männern, was lediglich zwei Prozent des durchschnittlichen Körpergewichts ausmacht. Es verbraucht jedoch etwa ein Fünftel der gesamten Energie, die der Körper benötigt. Der Energiebedarf des menschlichen Gehirns stellt somit im Vergleich mit anderen Lebewesen einen enormen Luxus dar. Doch nur so ermöglicht unser Gehirn es uns, außerordentlich flexibel auf unsere Umwelt zu reagieren und Dinge zu tun und zu erlernen, zu denen kein Tier imstande wäre.
Wie Sie vielleicht wissen, ist das Gehirn in drei verschiedene Bereiche unterteilt: in das Kleinhirn, das vorwiegend für die Instinkte zuständig ist, in das Mittelhirn, das in erster Linie unsere Emotionen steuert und schließlich in das Großhirn mit seinen beiden Hälften, der linken und der rechten Hemisphäre. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel dieser beiden Gehirnhälften und zeigt auf, welche Aufgaben jede der beiden Seiten beim Lernen von Sprache übernimmt.
Bei der Verarbeitung von Sprache übernimmt unsere linke Gehirnhälfte vor allem die Erfassung des Wortschatzes und der grammatischen Strukturen. Mit ihr denken wir analytisch, stellen Sätze in logische Zusammenhänge und können sprachliche Feinheiten, wie Begriffsunterschiede bei Wörtern, erkennen. In der linken Hemisphäre werden also vorwiegend die verbalen Aspekte von Sprache erfasst und bearbeitet.
Unsere rechte Gehirnhälfte ist dagegen für die Verarbeitung emotionaler und affektiver Reize, für die Wahrnehmung von Gestik und Mimik, für die ganzheitliche Interpretation von Sprache und für die Erfassung der Sprachmelodie (wie das Erkennen von Akzent und Intonation) zuständig. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass rechtsseitig vor allem die Verarbeitung der nonverbalen Aspekte der Sprache abläuft.
Wie Sie soeben erfahren haben, übernehmen beide Hemisphären unseres Gehirns unterschiedliche Aufgaben bei der Reizaufnahme und -verarbeitung. Während unserer Kindheit kommt es zu einer wechselnden Dominanz dieser beiden Gehirnhälften. Zu Beginn des Lebens, bis zu einem Alter von etwa sechs Monaten, ist die rechte Hälfte bestimmend und der Erwerb der Sprache ist vor allem an nonverbale und sprachrhythmische Eindrücke geknüpft.
In der so genannten „Lallphase“, die bis zu einem Alter von etwa 12 Monaten dauert, ist hingegen die linke Hälfte dominant und es kommt zur Ausbildung erster wortähnlicher Laute. Im Anschluss, bis zu einem Alter von drei bis vier Jahren, übernimmt wieder die rechte Gehirnhälfte die Hauptaufgabe bei der Reizverarbeitung, und emotionale und affektive Aspekte gewinnen für den Spracherwerb entscheidend an Bedeutung.
Anschließend wird erneut die linke Hälfte für das Erlernen der Sprache dominant und die sprachliche Entwicklung des Kindes vollzieht sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Ab diesem Alter können Sie bei Kindern beobachten, wie sich der Wortschatz tagtäglich rapide erweitert und gleichzeitig die Sicherheit beim Gebrauch der Sprache zunimmt.
Wenn Sie eine Fremdsprache neu erlernen, spielt sich eine Entwicklung ab, die derjenigen unserer frühen Kindheit nicht ganz unähnlich ist. Gerade am Anfang ist Ihre rechte Gehirnhälfte maßgeblich am Lernen beteiligt. Dies lässt sich leicht erklären: Da Ihnen Wortschatz und Grammatik noch vollkommen fremd sind, sind Sie viel stärker auf nonverbale kommunikative Aspekte der Sprache angewiesen.
Anhand von Intonation, Mimik und Gestik versucht man, sich die Bedeutung von Sätzen (eines Gesprächspartners, Fernsehmoderators oder Rundfunksprechers etc.) zu erschließen. Gleichzeitig achten Sie viel mehr auf Besonderheiten und Regelmäßigkeiten bei den fremden Lauten und erschließen sich so erste sinnhafte Strukturen und Elemente.
Je besser Sie die Fremdsprache beherrschen werden und je sicherer und größer Ihr Wortschatz sowie die Kenntnisse grammatischer Strukturen sind, desto mehr steigert sich wiederum die Dominanz ihrer linken Gehirnhälfte. Das analytisch-logische Erfassen von Satzzusammenhängen und das Erschließen neuer Wörter wird hierdurch wesentlich erleichtert.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser kurzen Einführung in die Gehirnforschung Ihr Interesse am Spracherwerb ein wenig wecken zu können. In unserem Fachverlag Sprachenlernen24 bieten wir eine umfangreiche Auswahl an Sprachkursen*.
Mit diesen können Sie sich anhand vieler unterschiedlicher Lernmethoden und durch die Möglichkeit, sich die Wörter und Sätze vorsprechen zu lassen, langsam aber sicher in die neue Fremdsprache einfühlen.
Autor des Artikels: Christoph Gollub