Der Begriff „afrikanische Sprachen“ ist die Bezeichnung für all jene Sprachen, die auf dem afrikanischen Kontinent gesprochen werden. Er sagt jedoch nichts über deren sprachgenetische Verwandtschaft aus.
Die afrikanischen Sprachen werden eingeteilt in die Niger-Kongo-Sprachen, die nilosaharanischen Sprachen und die Khoisan-Sprachen. Auch die Familie der afroasiatischen Sprachen zählt man traditionell zu den „afrikanischen Sprachen“.
So gibt es insgesamt fast 2.000 unterschiedliche afrikanische Sprachen, die von über 750 Millionen Menschen gesprochen werden. Die Angaben hierzu variieren jedoch.
Malagasy, die Sprache Madagaskars, die austronesisch ist, wird normalerweise nicht zu den „afrikanischen Sprachen“ gerechnet. Auch alle Sprachen der ehemaligen Kolonien in Afrika (zum Beispiel Englisch, Afrikaans, Französisch oder Deutsch) zählt man nicht zur Familie der afrikanischen Sprachen.
Die Erforschung der afrikanischen Sprachen ist ein aufwendiges und forschungsintensives Großprojekt aufgrund der großen Anzahl an Sprachen und der vorwiegenden Schriftlosigkeit der Kulturen der Sprecher. Eine gewisse Grobeinteilung ist jedoch gängig, welche wir Ihnen im Folgenden auch präsentieren werden.
Die nilo-saharanischen Sprachen sind vor allem im zentralen und östlichen Afrika zu Hause. Sie bilden jedoch kein geschlossenes Sprachgebiet, sondern bestehen aus mehreren Sprachinseln.
Es gibt etwa 200 nilo-saharanische Sprachen und insgesamt fast 35 Millionen Sprecher. Ihre Verbreitung erstreckt sich über 17 nordafrikanische Staaten.
Nilosaharanisch wird größtenteils als gesicherte Einheit aufgefasst, deren Protosprache in Grundzügen rekonstruierbar ist.
Der Kern des Nilosaharanischen – Ostsudanisch, Zentralsudanisch und einige kleinere Gruppen – ist als genetische Einheit ziemlich unumstritten; diese Meinung wird jedoch nicht von allen Afrikanisten geteilt, da sich die Sprachen drastisch voneinander unterscheiden. Der Großteil ihres bedeutendsten Zweiges befindet sich im heutigen Sudan.
Die Niger-Kongo-Sprachen (früher auch niger-kordofanische Sprachen genannt) bilden eine Sprachfamilie von fast 1.400 Sprachen, wiederum gegliedert in mehrere tausend Dialekte, welche circa 400 Millionen Menschen im westlichen, zentralen, östlichen und südlichen Afrika gesprochen werden. Aufgrund der Vielzahl von Sprachen, der hohen Diversität der Familie beträgt die durchschnittliche Sprecherzahl einer einzelnen Sprache etwa 300.000 Sprecher.
Die Niger-Kongo-Familie ist somit die sprachenreichste Sprachfamilie der Welt und ist der Sprecherzahl gemäß die drittgrößte Sprachfamilie weltweit (nach dem Indogermanischen und dem Sinotibetischen). Fast die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung spricht eine Niger-Kongo-Sprache.
Die größte homogene Untergruppe des Niger-Kongo sind die Bantu-Sprachen, die im südlichen Teil des Sprachgebiets zwischen Ostnigeria und Südafrika gesprochen werden. 500 dieser Sprachen sind eng miteinander verwandt und haben zusammengenommen 210 Millionen Sprecher.
Es gibt aber auch ungefähr 20 Niger-Kongo-Sprachen, die von mindestens fünf Millionen Menschen gesprochen werden, die meisten hiervon sind Bantu-Sprachen. Davon sind viele so genannte Verkehrssprachen:
Diese werden nicht nur als Muttersprache gesprochen, sondern auch als Zweit- oder Drittsprache, damit eine Kommunikation in größeren Gebieten trotz der Vielzahl kleiner Sprachgruppen möglich ist.
Ein Beispiel dafür ist das Suaheli in Ostafrika, das auch die niger-kongo-Sprache mit den meisten Sprechern (30 bis 40 Millionen) ist.
Aufgrund ihrer Größe konnte für die Familie der Niger-Kongo-Sprachen bisher noch keine gemeinsame Protosprache rekonstruiert werden. Es stellt sich also immer noch die Frage, ob es sich hier tatsächlich um eine genetische Einheit handelt oder nur um eine Ansammlung typologisch ähnlicher Sprachgruppen bedingt durch regionale Kontakte und gegenseitige Beeinflussung.
Die vierte vermutliche Sprachfamilie der afrikanischen Sprachen ist die der relativ kleinen Khoisan-Sprachen, die aus den Sprachen der Buschmänner und der Hottentotten besteht.
Sie werden im Südwesten Afrikas von rund 150.000 Menschen gesprochen, charakteristisch sind für sie Schnalzlaute sowie eine große phonologische Komplexität, da es Sprachen mit über 50 Konsonanten gibt.
Ihre genetische Einheit gilt inzwischen allerdings nicht mehr als gesichert, man geht stattdessen von mindestens drei genetisch unabhängigen Einheiten (Nordkhoisan, Zentralkhoisan, Südkhoisan) aus.
Die Khoisan-Gruppe bildet also vermutlich vielmehr einen territorialen Sprachbund typologisch miteinander verwandter Sprachen, der wahrscheinlich durch lange Kontaktphasen der einzelnen Sprachen untereinander entstanden ist. Diese Einschätzung der Khoisan-Gruppe als Sprachbund findet heute weite Zustimmung.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass eine Kategorisierung der afrikanischen Sprachen oftmals nicht ganz eindeutig vollzogen werden kann und in vielen Fällen nicht wirklich nachweisbar ist. Die Einteilung in Familien, Untergruppen und Einzelsprachen ist oftmals lediglich eine provisorische.
Autorin des Artikels: Konstanze Fassbinder