In diesem Blog-Artikel möchten wir Ihnen zeigen, welch beachtlichen Eindruck das Jiddische auf unsere alltägliche Sprache hinterlassen hat.
In unserem Sprachgebrauch verwenden wir eine Vielzahl an Begriffen und Sprichwörtern, die über das Hebräische und schließlich das Jiddische Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben.
Man schätzt, dass der aktive Wortschatz im Deutschen bis zu 100 Redewendungen und Wörter enthält, die jiddisch-hebräischen Ursprungs sind. Vor allem in Dialekten lassen sich noch viele weitere Wörter jiddischer Herkunft finden, die aber außerhalb der Region, in der sie gesprochen werden, oft nicht mehr verstanden werden.
Beispiele hierfür sind etwa das wienerische Beisl (Kneipe, vom jiddischen Bajis für Haus) oder der österreichische Haberer (Freund, vom hebräischen Chawer).
Bei vielen der Jiddismen im Deutschen ist der Ursprung dabei auf den ersten Blick kaum mehr ersichtlich. Bei anderen wiederum ist ihre hebräische Herkunft noch gut erkennbar.
Zunächst wollen wir die Aufmerksamkeit auf die letztere Gruppe werfen. So sprechen wir von dessen Chuzpe, wenn wir jemanden einer gewissen Dreistigkeit oder Unverfrorenheit bezichtigen.
Oder jemand sei meschugge, wenn man ihn für verrückt hält, man redet Tacheles, wenn man Klartext spricht (Jiddisch: Tachles – zweckmäßiges Handeln) oder bezeichnet scherzhaft oder abfällig eine Familie als eine Mischpoke (Hebräisch: Mischpacha).
Gleichfalls verwenden wir den Begriff Tohuwabohu, wenn wir ein großes Durcheinander benennen möchten und beziehen uns dabei indirekt auf das Chaos vor der biblischen Schöpfung.
Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe an Redewendungen, die ihre jiddische oder hebräische Herkunft kaum mehr erkennen lassen. Manche hiervon sind Verballhornungen jiddischer Sprichwörter, bei anderen wiederum liegt oft auch schlicht ein Missverständnis zugrunde, also ein falsches Verstehen der jiddischen Sprache.
Eine Reihe dieser Redewendungen möchten wir Ihnen nun vorstellen und erklären, auf welchem Wege sie ins Deutsche gelangt sind.
Hals- und Beinbruch
… so wünscht man einander spaßeshalber viel Erfolg, etwa vor Prüfungen, oder Wettbewerben. Viele wissen nicht, dass diese Redensart aus dem Hebräischen – über das Jiddische – in die deutsche Sprache eingegangen ist. Ursprung hiervon ist das hebräische Hazlacha uWracha, was „Erfolg und Segen“ bedeutet.
Im Jiddischen sprach man dies Hasloche uBroche aus und besiegelte mit diesem Spruch ein erfolgreich abgeschlossenes Geschäft. Durch Missverstehen wurde schließlich hieraus der sprichwörtliche Hals- und Beinbruch.
Guten Rutsch
Dieser Silvesterwunsch entspringt weniger den Temperaturbedingungen zum Jahreswechsel und der damit eingehenden Straßenglätte, sondern vielmehr dem hebräischen Rosch haSchana, welches der Begriff für Neujahr ist. Im Jiddischen wurde aus Rosch (hebräisch für Anfang) der Neujahrsgruß „Guten Rusch“, also der Wunsch nach einem guten Jahresbeginn.
Der Pleitegeier
Bei diesem Sprichwort denken die meisten Menschen, dass seine Herkunft scherzhaft vom Bundesadler hergeleitet ist, der auf den Pfandsiegeln von Gerichtsvollziehern abgebildet ist. Richtig ist allerdings vielmehr, dass dieses Wort ebenfalls seinen Ursprung im Jiddischen hat.
So war der Plejte Gejer jemand, der auf der Flucht vor seinen Schuldnern war (Plejte = Flucht, Gejer = Geher, Läufer). Durch falsches Verstehen wurde daraus dann schließlich der Pleitegeier, der in weiterer Abwandlung sogar irgendwann damit begann, über den verschuldeten Menschen sprichwörtlich zu kreisen.
Es zieht wie Hechtsuppe
Auch diese auf den ersten Blick unsinnige Redewendung, die meist verwendet wird, wenn der Wind durch undichte Fenster zieht, hat sprachgeschichtlich ihren Ursprung im Jiddischen. Dort meint ech Suphe „wie Sturm“, was sicherlich auch stimmiger erscheint als eine Fischsuppe.
Schmiere stehen
Wer als Kind vielleicht nicht ganz so mutig war wie seine Freunde, die jemandem einen Streich spielen wollten, der musste Schmiere stehen, also aufpassen, dass niemand die anderen überraschte.
Die Schmiere hat dabei jedoch, außer dem Klang nach, nichts mit dem deutschen Wort „schmieren“ gemein, sondern leitet sich vom hebräischen Sch’mira (Jiddisch: Schmire) ab, was Wache bedeutet.
Weitere Jiddismen
Neben diesen Redensarten gibt es eine Vielzahl weiterer Entlehnungen aus dem Jiddischen bzw. Hebräischen.
So entstammt beispielsweise auch das deutsche Wort Knast dem hebräischen Knas (Strafe), das scherzhaft-abwertende Wort für ein Dorf, Kaff, leitet sich wiederum von Kafar ab (Hebräisch für Dorf) oder der Ganove vom hebräischen ganaw (stehlen).
Aber auch der sprichwörtlich betuchte Mensch hat seinen Ursprung nicht etwa, weil seine Kleidung aus kostbarem Tuch hergestellt wäre, sondern vom jiddischen betuach (verlässlich, zahlungsfähig).
Auch wenn jemand einen Reibach macht, bezieht er sich indirekt auf das hebräische Wort Rewach (Gewinn). Verliert dieser Jemand aber all sein Geld, so steht er vor einem gewaltigen Schlamassel (Jiddisch Schlimassel: Unglück).
Autor des Artikels: Christoph Gollub
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